Seit das britische Schiff „HMY Britannia“ 1997 außer Dienst gestellt wurde, wünschen sich die Briten einen Nachfolger. Doch kaum hat Boris Johnson das Projekt in Angriff genommen, droht es bereits zu scheitern.
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Den Verlust haben viele Briten seit 1997 nicht wirklich überwunden. Im Dezember wurde damals die Royal Yacht „Britannia“, offiziell „HMY Britannia“, außer Dienst gestellt.
Seither melden sich immer wieder neue Stimmen zu Wort, dass es höchste Zeit für einen Nachfolger sei. Politiker drängen, die Zeitung „Daily Telegraph“ kämpft seit Jahren dafür, private Finanziers sind ins Spiel gebracht worden.
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Seit Ende Mai hat das Warten ein Ende. Nach 23 Jahre Pause kündigte Premierminister Boris Johnson den Bau eines neuen Schiffs an. Kein direkter Nachfolge der einstigen königlichen Yacht soll das werden, eher eine Form der Wirtschaftsförderung auf dem Wasser.
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„Dieses neue nationale Flaggschiff wird das erste Schiff dieser Art weltweit sein, es wird den Status Großbritanniens als große, unabhängige maritime Handelsnation spiegeln“, sagte Johnson. Die neue Rolle und die Positionierung des Landes nach dem Brexit könne so international vermarktet werden. „Jeder Aspekt des Schiffs, vom Bau bis zu den Unternehmen, die an Bord repräsentiert werden, wird ,Best of British‘ darstellen und stärken.“
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Doch nun gerät ausgerechnet der Bau in einer britischen Werft, der implizit zum Programm gehört und von Parlamentariern und regionalen Vertretern immer wieder ausdrücklich gefordert wurde, durch ein vertragliches Hindernis in Gefahr.
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Das Übereinkommen für öffentliches Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation (WTO), das Großbritannien als Nachfolgelösung für die vergleichbare EU-Vorschrift im Oktober unterschrieben hat, sieht vor, dass „Schiffe, Boote und schwimmende Gebilde“ international ausgeschrieben und fair vergeben werden müssen.
Die Regierung könne zwar versuchen, die Ausschreibung so zu gestalten, dass die Beschaffungsregeln nicht zur Geltung kommen, sagte Dmitry Grozoubinski, Handelsexperte und Gastdozent an der University of Strathclyde in Glasgow, der „Financial Times“, die über das Problem zuerst berichtet hat.
Doch eine solche Absicherung sei das Gegenteil des Vertragsgedankens. „Die Regierung kann sich nicht gleichzeitig als Vorkämpfer des regelbasierten Handelssystems gerieren und sich gleichzeitig die Freiheit nehmen, diese Regeln zu ignorieren, wenn es politisch zweckdienlich ist“, sagte Grozoubinski.
Bei der Unterzeichnung des Beschaffungsvertrages im vergangenen Herbst hatte Handelsministerin Liz Truss die Chancen für britische Unternehmen betont. Sie sind dadurch in der Lage, für öffentliche Ausschreibungen in aller Welt im Wert von mehr als 1500 Milliarden Euro zu bieten. Umgekehrt schafft die Vereinbarung Chancen für ausländische Anbieter in Großbritannien. Und für britische Steuerzahler werde sichergestellt, dass sie den bestmöglichen Wert für ihr Geld bekommen, so Truss.
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Für viele andere Unterzeichnerstaaten würde ein ähnliches Problem nicht entstehen. Australien, Japan und Kanada gehören zu den Staaten, die den Schiffbau komplett vom öffentlichen Beschaffungswesen ausgenommen haben.
In Großbritannien gilt die Ausnahme lediglich für Kriegsschiffe. Doch das neue Projekt, für das auch bald ein Name festgelegt werden soll, ist ausdrücklich für die Handelsförderung angekündigt. Es soll künftige Handelsverhandlungen begleiten und als Sitzungsort für internationale Treffen dienen.
Bei Messen könne es als erweiterte Ausstellungsfläche eingesetzt werden, heißt es in der offiziellen Beschreibung der Regierung. Sitzungsräume, Übernachtungsgelegenheiten, Küche und Bewirtungsgelegenheiten – insgesamt dürfte das Design eher einem Kreuzfahrt- als einem Kriegsschiff gleichen, auch wenn die Mannschaft von der Royal Navy gestellt wird.
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Geplant ist das Schiff aktuell mit einer Länge von 125 Metern, der Antrieb soll so umweltfreundlich wie möglich erfolgen. Ein Designwettbewerb könnte bereits in den kommenden Wochen starten, nach der Ausschreibung soll im kommenden Jahr mit dem Bau des auf 200 Millionen Pfund veranschlagten Projektes begonnen werden.
Schon in vier Jahren soll es einsatzbereit sein. Auch wenn das neue Schiff in die Tradition der königlichen Yachten gestellt wird, die seit dem 17. Jahrhundert Standard waren im Königreich sind, hat es mit diesen nicht wirklich viel gemein.
Der Dreimaster „HMY Britannia“ war in seinen 43 Jahren Dienstzeit regelmäßig für die königliche Familie unterwegs. Diese enge Anbindung an das Königshaus ist für das neue Schiff nicht vorgesehen. Mehr als eine Million Seemeilen legte die „HMY Britannia“ in ihrer aktiven Zeit zurück.
Sie war auch für Staatsbesuche und zum Empfang ausländischer Gäste im Einsatz, aber nicht in erster Linie zur Vermarktung des Wirtschaftsstandortes Großbritannien gedacht. Bei ihrem letzten offiziellen Einsatz anlässlich der Übergabe der früheren Kronkolonie Hongkong an China im Juli 1997 diente sie Prinz Charles und Hongkongs letztem Gouverneur Chris Patten für die Abreise aus der Stadt.
Heute liegt sie in Edinburgh vor Anker und ist dort ein beliebtes Besuchsziel. Während die „Britannia“ schon wegen ihrer königlichen Verbindung in jedem Hafen die Aufmerksamkeit sicher war, droht dem neuen Schiff ohne diesen Link noch ein anderes Problem.
200 Millionen Pfund seien in der maritimen Welt keine erhebliche Summe, sagt der Rechtsexperte David Allen Green, der sich ebenfalls mit der Beschaffungsfrage beschäftigt hat. Schließlich habe Amazon-Gründer Jeff Bezos erst vor einigen Wochen eine Superyacht erworben, die den Preis um drei Viertel überstiegen hat. „Es könnte gut sein, dass wir ein größeres Boot brauchen, um die internationale Businesswelt wirklich zu beeindrucken“, so Greens Schlussfolgerung.